Tipp Juli: Die faulen Ausreden der Profis
Das Programm ist deftig: 9 verschiedene Übungen, pro Übung 3 Serien zu 20 Wiederholungen. So sieht mein aktuelles Training aus, um die Kraft meiner verletzten Schulter wieder her zu stellen. Das Ganze ist von meiner Physiotherapeutin verordnet, dauert eine knappe Stunde und wiederholt sich jeden zweiten Tag. Als Bewegungsprofi habe ich gestaunt über all die faulen Ausreden, die mir beim Üben durch den Kopf gingen.
Zwanzig Wochen systematisches Reha-Training sollte eigentlich kein Problem sein für mich - habe ich gedacht. Zugegeben, es ist anstrengend, es dauert, es ist manchmal langweilig (9 Übungen allein für die Schultern). Zudem trainiere ich alleine, ohne Musik und ohne motivierende Anweisungen einer kompetenten Leiterin. Doch dass sich so viele Widerstände in mir regen, hätte ich nicht gedacht.
Die kleinen Teufel vor dem Training:
- Verlockende Alternative suchen: Heute ist das Wetter so schön, ich könnte ja biken gehen (da hat die Schulter nichts davon) oder zumindest Stand-up-paddeln (ist zu wenig systematisch und gezielt)
- Die Vorausbelohnung: Noch kurz etwas Zeitung lesen, in einer Zeitschrift blättern oder etwas Smalltalk mit Kollegen, ich fang dann nachher gleich an
- Die Selbsttäuschung: Heute habe ich schon so viel gemacht, eigentlich habe ich schon genug trainiert und ich sollte mich vielleicht besser zu Hause erholen (da bin ich zum Glück Profi genug, dass Trainings auszulassen ein absolutes No-Go ist)
Die bissigen Verräter während dem Training:
- Abkürzungen suchen: Ich fühle mich etwas Müde, 15 Wiederholungen reichen doch heute auch, zwei Serien sind besser als nichts, etwas weniger Gewicht tut's doch auch
- Rechtfertigungsstrategien: Ich muss die Ãœbungen ja nicht ganz fertig oder nicht so perfekt oder anstrengend machen, Hauptsache ich bewege mich; Andere trainieren noch viel weniger als ich und sehen eigentlich ganz gut aus
- Auf die Schnelle: Wenn ich pressiere oder zwei Ãœbungen kombiniere, bin ich schneller fertig; habe ich 12 Wiederholungen oder schon 22?
- Ablenkung: Ich könnte die Übungen noch mit Gleichgewicht kombinieren, dann macht's mehr Spass; ich vertausche doch die Reihenfolge, dann ist es unterhaltsamer; soll ich die unbeliebteste Übung gleich am Anfang machen, dann habe ich's hinter mir?
Fazit und Gesundheits-Tipp
- Systematisches und langfristiges Training ist vor allem Willensarbeit. Wer es schafft, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Körperliche Fitness und Willensstärke/Selbstdisziplin
- Es braucht Strategien gegen die vielen kleinen Teufel im Hirn, z.B. das Trainieren in einer Gruppe, einen fixen Stundenplan, die Motivation durch Musik, strukturierte Instruktion durch kompetente Leitende
- Ich bewundere alle unsere KundInnen die seit Jahr und Tag regelmässig im Wasser trainieren. Herzliche Gratulation und - bleiben Sie dran, es lohnt sich!
Matthias Brunner, Turn- und Sportlehrer, UNI Bern
Geschäftsführer und Inhaber Aquateam Bern