Tipp Juni: Ist Inaktivität ein - freiwilliger - Unfall?

Ich habe bei einem Sturzunfall meine Schulter gebrochen. Das ist weder von allgemeinem Interesse noch veröffentlichungswürdig. Trotzdem rede ich ausnahmsweise von mir und mache mir einige Gedanken, die interessant sein könnten - zumindest für 26% der Schweizer Wohnbevölkerung. Welche 26% sind wohl gemeint?

Schulter gebrochen heisst, den Arm sechs Wochen in einer Schlinge stilllegen (es ist der rechte!). Das bedeutet, auf geliebte Tätigkeiten verzichten wie Velofahren, Aquafitness, Schwimmen, Krafttraining, aber auch auf Kochen, Haushalt- oder Gartenarbeiten. Die Immobilität hat körperliche Veränderungen zur Folge: Die ganzen Muskeln von Hand, Arm und Schultern schmelzen dahin, die Beweglichkeit geht massiv zurück. Der Arm fühlt sich matt und schlaff an, der Tonus fehlt, die Haut am Oberarm hängt müde herunter.


Die Einschränkung des einen Armes lässt auch die Gesamtform sinken, der Spurt auf den Zug wird zur Qual, mehrere Stockwerke Treppenhaus zum Leistungstest.

Mein Glück:

26% der der Schweizer Wohnbevölkerung treiben keinen Sport. Ohne regelmässige Bewegungsaktivität erschlaffen die Muskeln, geht die Mobilität der Gelenke zurück, baut die Gesamtfitness ab. So, wie ich das jetzt unfreiwillig an meinem rechten Arm erlebt habe.


Inaktivität hat dieselben Folgen wie ein Unfall, nur ist sie selbst gewählt, quasi ein freiwilliger Unfall. Dauert die Inaktivität über Jahre an, steigen die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, Diabetes und Krebs.

Die drei wichtigsten Gründe für Inaktivität sind

Mein erstes Training - nachdem ich die Schlinge ablegen konnte - habe ich natürlich im Wasser gemacht: gezielt, schonend und wirksam. Es war Himmel und Hölle zugleich. Hölle im Vergleich links-rechts zu erleben, wie rasant und gross der Abbau an Kraft und Beweglichkeit ist. Himmel: Endlich wieder bewegen, kantenlos umschmeichelt vom Wasser, dosiert gefordert vom Widerstand, sanft getragen und unterstützt vom Auftrieb.


Ich wünsche jedem und jeder der 2‘000‘000 Inaktiven in der Schweiz - und auch allen anderen! - dieses Empfinden des sanften, getragenen Bewegens im Wasser, diese Perspektive, mit jedem Training Fortschritte zu erzielen, diese Freude, sich gut und straff zu fühlen, diesen Stolz, sich, seiner Seele und seinem Körper Gutes zu tun.

 

Matthias Brunner, Turn- und Sportlehrer, UNI Bern
Geschäftsführer und Inhaber Aquateam Bern